Karneval, Karibik & Kartelle | Eclectic Colombia

(For English version see below)

Es ist noch keine 4 Jahre her, als Kolumbiens Staatspräsident Santos und der Anführer der FARC-Rebellen Londono einen historischen Friedensvertrag unterzeichneten – ein weiterer Schritt, um die jahrzehntelange, weltweit für Schrecken sorgende Ära des Kolumbiens, das als gefährlichstes Land der Welt galt, hinter sich zu lassen. Und auch heute sitzen die Schreckensbilder von Attentatopfern noch fest in den Erinnerungen vieler: “Oh, Kolumbien, passt gut auf euch auf, das ist bestimmt sehr gefährlich!” Unsere Realität war erfrischend anders: Auf unserer Reise durchs Land fühlten wir uns nicht nur sicher sondern auch noch herzlich willkommen. Und das zeigt sich in der Statistik. Seit Jahren steigen die Touristenzahlen rasant an, allein in 2018 waren es knapp 4 Millionen und damit mehr Besucher als in Neuseeland.

Wie so oft auf unserer Reise war unser Routenverlauf eher ein Ergebnis der Umstände. Wären Martin und Sven, unsere Freunde aus Jena, nicht gewesen, hätten wir Kolumbien vielleicht sogar ganz übersprungen. Aber die beiden schlugen vor, dass der Kolumbianischen Karneval eine gelungene Gelegenheit wäre, sich nach knapp 2 Jahren wiederzusehen. 

Der “Carnaval de Barranquilla” war ein fulminanter Start unserer 3 Wochen Kolumbien, die abwechslungsreicher kaum hätten sein können. Die Geburtsstadt von Shakira verwandelt sich jedes Jahr in diesen 5 Tagen von einer eher unansehnlichen Metropole in ein einziges Farbenmeer aus Federn, Stoffen, Strasssteinen und viel (sehr viel) nackter Haut. Mit sich täglich ändernden Umzugsmottos unterhielten aufwendig inszenierte Tanz- und Musikguppen die Bewohner und Besucher der Stadt. In den Straßen drängten sich tausende bunt gekleidete Karnevalisten tanzend an rauchenden Würstchenständen vorbei. Und selbst durch den dichtesten Menschenstrom schlängelten sich einzelne Verkäufter mit Kühlboxen, um auch noch den letzten Kunden ein frisches Bier anzubieten… wobei es keine Rolle spielte, ob man gerade erst eine Dose geöffnet hatte.

Anwohner, die keine Lust auf Gedränge hatten, verwandelten den eigenen Vorgarten kurzerhand mit farbiger Dekoration und reichlich übersteuerter Musik aus metergroßen Lautsprechern in eine ganz eigene Karnevals(hoch)burg. Es war laut, es war schrill und es war ansteckend. Spätestens bei den abendlichen Straßenfesten wurde auch der letzte tanzlahme Nicht-Kolumbianer von den Einheimischen “aufs Parkett” gezogen und nach etwas Eingewöhnungszeit in Sprüh-Schaum und Maismehl gebadet – wer sauber heim geht, war nicht dabei!

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Carnaval de Barranquilla – The second largest carnaval in the world.

Nicht nur Martin und Svens Feierausdauer war bewundernswert, sondern auch ihre unerschütterliche Bereitschaft, sich unserer Art des Reisens anzuschließen. Auf Busfahrten, die bis zu 17 Stunden dauerten, konnten wir zumindest Flugzeug-ähnliches Entertainment genießen und an unserem Spanisch feilen. Gute Ablenkung war allerdings auch notwendig um die teilweise 7 Stunden ohne Pinkelpause zu überstehen. Die Taxifahrten waren da deutlich unbequemer, wenn wir zu viert in einem Auto der Größe eines Fiat Pandas Platz nahmen und mindestens 2 von 4 Reisetaschen auf unserem Schoss verstauten. Immerhin dauerten diese Fahrten meist nur eine halbe Stunde.

Wilde Busfahrten waren auch nicht die einzigen Abenteuer, zu denen wir vier uns hinreißen ließen. Kurzentschlossen packten wir unsere Sachen und die Gelegenheit beim Schopfe, die wilde Seite Kolumbiens zu erkunden. Wenige Stunden östlich von Barranquilla, in den Tiefen des Dschungels der Sierra Nevada de Santa Marta, fanden wir eine völlig andere Welt. Die 4-tägige (Hin- und Rück-)Wanderung zur Verloren Stadt – La Ciudad Perdida – glich einer Reise durch die Geschichte Kolumbiens. Die erst in den 1970ern von Grabräubern wiederentdeckte Stadt soll ganze 650 Jahre vor Machu Picchu gegründet worden sein und ist einer der größten präkolumbianischen Stätten des südamerikanischen Kontinents. Auch wenn die Stadt längst verlassen ist, bewohnen indigene Stämme noch heute die Urwälder der Sierra Nevada und begrüßen mit ihren makellosen Gesichtern und blütenweißen Gewändern die schnaufende Wanderer. Unser Guide hat selbst einmal ein halbes Jahr in der Verlorenen Stadt “gewohnt” – und das gezwungenermaßen. Denn als er selbst noch Marihuana-Bauer war, wurde das Kartell, für das er arbeitete, fast restlos von einem anderen niedergemetzelt. Er floh in die Verlorene Stadt und blieb, bis er in der Zivilisation wieder sicher war. Auch ohne ein Wort von ihm deuteten seine zahlreichen Narben auf eine dramatische Vergangenheit, aber er war um keine Geschichte verlegen und erzählte von der Marihuana-Ära, der Kokain-Ära und von der Ära, in der sich die Region noch heute befindet: Der Tourismus-Ära. Eine der – für einen Urwald erstaunlich komfortablen – Etagenbettenburgen war früher übrigens eine alte Kokain-Fabrik und wird nun dankbar von hunderten Wanderern als Nachtlager genutzt. Alles in allem war diese Wanderung ein Hochgenuss aus Natur und Kultur und nicht zuletzt ein unerwarteter Badespaß. Denn den mit allerlei Staub verklebten brennenden Schweiß konnten wir uns täglich an den paradiesischsten Wasserfällen und Badestellen vom zufriedenen Leib spülen.

Einmal mit der Drogengeschichte Kolumbiens vertraut, war Medellín genau der richtige nächste Stopp. Bis zu 7000 Menschen wurden hier pro Jahr in den 90ern im Krieg zwischen dem von Pablo Escobar geführten Drogenkartell und der kolumbianischen Regierung getötet. Heutzutage zählt die Stadt als ein Vorzeigebeispiel für städtische Entwicklung. Im Szeneviertel El Poblado waren wir schwer damit beschäftigt, uns durch die Restaurant- und (Gay-)Bar-Szene zu arbeiten. Doch wir kamen ausreichend zur Ruhe, genauso wie im Kaffee-Örtchen Salento und in Bogota, um alles auszutauschen, was sich in den letzten 2 Jahren angestaut hatte. Darüber hinaus stellten wir erfreut fest, dass uns auch in 3 Wochen nicht langweilig gemeinsam wird.

Falls dem so gewesen wäre, hätte uns Kolumbien mit Sicherheit gerettet. Das Land hat so viel zu bieten, dass man nie lang genug dort sein kann! 

Unser Favoriten:

  • Der Lost City Trek: Vier schweißtreibende Wandertage durch schwüles Dickicht und allerlei Naturbäder im kolumbianischen Regenwald zu einer der beeindruckendsten Ruinenstädte Südamerikas waren definitiv unser Kolumbien-Highlight.
  • Der zweitgrößte Karneval der Welt (nach Rio) in Barranquilla. Und hier lohnt sich der Kauf eines Tribünenplatzes um nach den stundenlangen Farben-Glitzer-Musik-Tanz-Make-Up-Paraden noch ausreichend Energie für eines der wilden Straßenfeste zu haben.
  • Die Bilderbuch-Stadt Cartagena, deren kunterbunte und belebte historische Innenstadt genau das Bild Südamerikas zum Leben erweckte, welches wir uns zuvor in unseren Vorstellungen ausgemalt hatten.
  • Die (spendenbasierten) Free Walking Tours sind in Kolumbien besonders ausführlich. Und wer noch gerne futtert, findet bei einer Free-Food-Tour in Bogotá vom hochgelobten Goldmuseum durch die Street-Food-Stände und Hinterhofrestaurants genau was er braucht! Zum Beispiel: Heiße Schokolade mit darin schmelzendem Käse – deluxe!
  • Die teils absurde Gangsterromantik in der sich gerade wiederbelebenden ehemaligen Drogenhauptstadt Medellín. Obwohl Kolumbiens bekanntester Verbrecher Pablo Escobar hier einst für Angst und Schrecken sorgte, findet man seinen Antlitz in allerlei (Touri-)Läden und kann Touren zu seinem ehemaligen Wohnsitz buchen. Die Verklärung seiner Person hat sicherlich nichts damit zu tun, dass er für die heute unkontrollierte Verbreitung von Nilpferden in Kolumbien verantwortlich ist, weil  er sich die Dickhäuter für seinen Privatzoo einführen ließ.
  • Die vielleicht unbefleckteste Metro der Welt in Medellín – für die Bewohner DAS Symbol der Wiederauferstehung ihrer Stadt. Hier ist man so stolz auf die positive Entwicklung, dass selbst die ungehobeltsten Sprayer die einzige Metro des Landes erhalten wollen.
  • Das Kleinstadtflair Salentos inmitten saftig grüner Landschaft im sogenannten ‘Kaffeedreieck’ des Landes. Und wer so naiv wie wir glaubt, dass der viertgrößte Kaffeeexporteur auch eine ausgeprägte Kaffeekultur hegt, wird überrascht. Wenn die Kolumbianer Kaffee trinken, dann v.a. sehr sauer. Umso interessanter war die Premium Coffee Tour in der Finca El Ocaso, bei Dir wir den Kaffeereifeprozess vom Keimling bis in die (saure) Tasse geschmacksnah nachempfinden konnten.

It is less than 4 years ago when Colombia’s President Santos and the leader of the FARC rebels Londono signed a historic peace treaty – another step to leave behind the decades-long, terrifying era of Colombia as one of the most dangerous countries in the world. But still, the horror images of assassination victims are etched in the memories of many: “Oh, Colombia! Take good care of yourselves, this is probably very dangerous!” Our reality was refreshingly different: During our time in Colombia we not only felt safe but also very welcome. And statistics suggests that we are not alone with this perception. For years, the number of tourists has been rising rapidly with almost 4 million visitors alone in 2018 – more than in New Zealand.

As so often before, our route was more a result of circumstances. Without Martin and Sven, our friends from Jena, we might have even skipped Colombia completely. But they suggested the Colombian Carnival as the perfect opportunity to meet again after almost 2 years.

The “Carnaval de Barranquilla” was a brilliant start for our 3 weeks of travel through Colombia, which could hardly have been more diverse. The birthplace of Shakira transforms every year during these 5 days from a rather unsightly city into a sea of colours, feathers, fabrics, rhinestones and much (very much) naked skin. With daily changing parade mottos, elaborately staged dance and music groups entertained the inhabitants and visitors alike. In the streets, thousands of colourfully dressed enthusiasts pushed each other past tiny food stalls. And individual vendors with self-made cool boxes found their way even through the densest crowd to offer a fresh beer to each and everyone… no matter whether you had just opened a can. Locals, who didn’t feel like crowding, transformed their own front yard into a party location with colorful decorations and a lot of distorted music from head-high speakers. It was loud, it was fancy and it was contagious. At the latest during the street parties at night us foreigners became an integral part of the festivity, when locals dragged us on the dance floor and bathed us in foam and corn flour – whoever leaves clean was not there!

Not only Martin and Sven’s endurance in celebrating was admirable, but also their unwavering willingness to agree on our way of travelling. On bus trips that lasted up to 17 hours, we could at least enjoy airplane-like entertainment and polish our Spanish skills. But a good distraction was more than necessary to survive the 7 hours without a pee break. The taxi rides were actually less comfortable. More than once, the four of us shared a car the size of a Fiat Panda and stored at least 2 out of 4 backpacks on our laps. After all these trips rarely lasted longer than half an hour.

Our desire for adventure even pushed us beyond wild bus and taxi rides and let us join a tour through the wild side of Colombia. A few hours east of Barranquilla, in the depths of the jungle of the Sierra Nevada de Santa Marta, we found a completely different world. The 4-day (return) hike to the Lost City – La Ciudad Perdida – was like a journey through Colombia’s history. The city, rediscovered by tomb raiders in the 1970s, is said to have been founded 650 years earlier than Machu Picchu and is one of the largest pre-Columbian sites on the South American continent. While the city has been abandoned long time ago, indigenous people with immaculate faces and flower-white robes still inhabit the rainforest of the Sierra Nevada and welcome panting hikers. Our guide himself once “lived” in the Lost City for half a year – because he had to. When he was still a marijuana farmer himself, the cartel he belonged to was almost completely wiped out. He fled to the Lost City and stayed until he felt safe again. Not knowing a word, his numerous scars already told the story of a dramatic past, but he was not reluctant to share his memories of the marijuana era, the cocaine era, and the era in which the region is still today: the tourism era. One of the (astonishingly comfortable) camps was once an old cocaine factory and is now gratefully used by hundreds of hikers as overnight stay. Taken together, this hike was absolute fun – nature- and culture-wise – and on top it had unexpected refreshing moments. Because we could remove the sticky mix of sweat and dust after hours of hiking every day at the most paradisiacal waterfalls and natural pools.

Once familiar with Colombia’s drug history, Medellín was just the right next stop. Up to 7000 people a year were killed here in the war between the drug cartel led by Pablo Escobar and the Colombian government in the 1990s. Today the city is considered a model example of urban development. In the trendy district of El Poblado we were busy working our way through the restaurant and (gay-)bar scene. It gave us right enough time, just like in the coffee village Salento and in Bogota, to talk about all the thoughts and ideas that we could not exchange over the course of the last 2 years. Fortunately, we also realized that even after three weeks of common holidays we don’t feel bored.

But even if – Colombia would have saved us for sure. The country has so much to offer that you can never be there for too long!

Our favorites:

  • The Lost City Trek: Four sweaty hiking days through deep jungle and all kinds of natural pools in the Colombian rainforest to one of the most impressive ruined cities in South America – definitely our Colombia highlight!
  • The second largest carnival in the world (after Rio) in Barranquilla. It is worth to purchase tickets for the parades full of colour, glitter, music, dance and makeup, to save enough energy for one of the wild street parties during the night.
  • The picturesque city of Cartagena, whose colorful and lively historic city centre brought to life exactly the idea of South America that we had imagined.
  • The (donation-based) Free Walking Tours are particularly extensive in Colombia. And those who like to eat will find exactly what they need on a free food tour in Bogotá which starts from the highly acclaimed Gold Museum and leads you through the street food stalls and backyard restaurants! Don’t miss: Hot chocolate with cheese melting inside – deluxe!
  • The absurd gangster romanticism in the former drug capital Medellín, which is just reviving. Although Colombia’s most famous criminal, Pablo Escobar, once caused fear and terror here, you can find his face in all kinds of (tourist) shops and book tours to his former residence. The transfiguration of his person certainly has nothing to do with the fact that he is responsible for the uncontrolled spread of hippos in Colombia today, because he had the pachyderms imported for his private zoo.
  • Perhaps the world’s most immaculate metro in Medellín – for the inhabitants THE symbol of the resurrection of their city. They are so proud of the positive development here that even the most uncouth sprayers want to preserve the country’s only metro.
  • The village flair of Salento in the middle of a lush green landscape in the country’s so-called ‘coffee triangle’. And if you believe as naively as us that the fourth largest coffee exporter also has a distinct coffee culture, you will be surprised. When Colombians drink coffee, it is mainly… yey, sour. All the more interesting was the Premium Coffee Tour in the Finca El Ocaso, where we could taste the coffee maturing process from the seedling to the (sour) cup.