Warum es sich lohnt, Länder zu bereisen, die andere meiden.
Oder: Wie es wirklich ist, den Iran zu besuchen.
“Wollt ihr wirklich in den Iran reisen, es ist doch sicherlich gefährlich dort?” Das war nicht unbedingt die Art von “Auskunft”, die wir von einer Mitarbeiterin eines Reisebüros in Jerewan erwartet hatten, als wir einen Flug von dort nach Teheran buchen wollten. Die Frage enthielt jedoch jene Skepsis, die uns häufiger vor, während und nach unserem Iranaufenthalt begegnete. Auch bei uns selbst spürten wir eine Unsicherheit, mit der wir unser Vorhaben beäugten. Obwohl uns im Grunde alles, was wir im Vorfeld von Iranreisenden hörten, vorfreudig und neugierig hätte stimmen sollen, war ein gehöriger Teil unseres Iranbildes geprägt vom westlichen Narrativ eines islamischen Terror-Unterstützer-Regimes. Und doch wurden wir ein weiteres Mal davon überzeugt, wie bereichernd es für uns ist, genau die Länder zu bereisen, um die viele Touristen lieber einen Bogen machen.
“Die Visa-Maschine ist kaputt.”
Dabei war es bereits ein ganzes Stück Arbeit, erstmal in den Iran zu kommen. Mit einem Busticket von Jerewan (Armenien) nach Täbris (Iran) in der Tasche fuhren wir ein zweites Mal zur iranischen Botschaft in Jerewan, um uns das vorab beantragte elektronische Visum in den Reisepass kleben zu lassen. “Die Visa-Maschine ist kaputt. Vielleicht geht sie in 2 Wochen wieder” war so gut wie alles, was wir an Information aus dem Mitarbeiter der Botschaft herausbekamen. Das war jetzt unerwartet! Vielleicht nicht so sehr für die anderen, deutlich frustrierteren Touristen, die bereits seit zwei Wochen hierher kamen um ein Visum zu erhalten – erfolglos. Was nun? So hatten wir uns das nicht vorgestellt. Sollten wir jetzt unsere Reisezeit damit verbringen, jeden 2. Tag zur Botschaft zu fahren, bis die mysteriöse Visa-Maschine irgendwann wieder funktionierte? Oder sollten wir es wagen, ohne Visum in den bereits gebuchten Bus zu steigen und hoffen – entgegen der Angaben des Auswärtigen Amts – ein Visum an der Landesgrenze zu bekommen? Nach intensiver Recherche und einigem Hin und Her und Hin und Her entschieden wir uns, erstmals seit Antritt unserer Reise vor 2,5 Monaten in den Flieger zu steigen. Ein Flug nach Teheran versprach immerhin die Aussicht auf ein “Visa on Arrival” am Flughafen.

Bei der Landung in Teheran waren wir nervös, da wir ohne Vorlage eines Nachweises für die geplante Ausreise aus dem Iran nicht alle Voraussetzungen für ein “Visa on Arrival” erfüllten (wir wussten ja selber noch nicht, wann und von wo wir ausreisen würden). Schon eine Stunde später besaßen wir beide zu unserer Überraschung ein iranisches Visum, und alle Nervosität wich riesiger Freude. Alles was wir für die Einreise gebraucht hatten waren Euro-Noten zur Bezahlung der Visagebühren und ein normales Passfoto. Entgegen der Informationen auf diversen offiziellen Websites benötigten wir weder Danies Hijab-Passfotos (schade, eigentlich 🙂 ) noch Ausdrucke von unserer Krankenversicherung, Hotelreservierung oder Ausreisetickets. Keine Warteschlangen, keine löchernden Fragen, nur freundliche Gesichter. Der Herr am Schalter reichte zunächst Ralf die Visums-Bestätigung und sagte dann mit breitem Grinsen zu Danie: “For you… no visa!”
“Ihr wurdet abgezockt!”
Noch in der Ankunftshalle wollten wir erstes Geld in iranische Rial tauschen, um ein S-Bahn-Ticket ins Stadtzentrum sowie eine lokale SIM-Karte kaufen zu können (internationale Kreditkarten sind im Iran nutzlos). Den aktuellen Kurs hatten wir vorab im Internet gecheckt: Für 1 € sollten wir circa 50.000 Rial bekommen. Als uns die erste Bank kein Geld wechseln wollte, bot uns eine Privatperson an, direkt mit ihm für den offiziellen Kurs (ohne Gebühr) zu tauschen. Wie nett, dachten wir – und hätten hier doch schon skeptisch sein sollen. Keine 5 Minuten später sagte uns erst der IranCell- und dann der Fahrkarten-Verkäufer “Ihr wurdet abgezockt, ihr hättet für einen Euro 15.000 bekommen sollen!” Hä!? Wir haben doch 50.000 bekommen, das ist doch viel besser, oder nicht? Es bedurfte etlicher zusätzlicher Gespräche, bis wir vollständig durchschaut hatten, wie die Währung(en) im Iran funktioniert(en). Es gibt zwei Wechselkurse im Iran: den uns bekannten offiziellen Kurs der Regierung für den Außenhandel (1 € ≙ 50.000 Rial) und den für Touristen 3-fach besseren “Straßenkurs” mit dem die Iraner im Land rechneten (1 € ≙ 150.000 Rial). Kompliziert wurde es dadurch, dass Iraner 15.000 sagen, wenn sie 150.000 Rial meinen. Bei Preisangaben verwenden sie nämlich Toman (1 Toman ≙ 10 Rial). Als uns also gesagt wurde, wir dürften nicht weniger als 15.000 akzeptieren, meinten die Iraner 15.000 Toman, also 150.000 Rial. Fazit: Ja, ein einziger Typ hat uns “abgezockt” – weil wir darum gebeten hatten und seine Regierung ihn dazu einlud.
Der erste Eindruck zählt – oder auch nicht.
Nach nur einer Nacht im Iran waren wir uns schon nicht mehr sicher, wie viele weitere wir hier eigentlich noch verbringen wollen. Der erste Eindruck saß tief und ungemütlich. Erst das Visachaos und die Unsicherheit, ob man uns überhaupt ins Land lassen würde. Dann das Dilemma um die Landeswährung und um die Frage, wem wir eigentlich vertrauen sollten, wenn es um den “richtigen” Wechselkurs ging. Und zusätzlich war da noch die gesetzlich vorgeschriebene Kleiderordnung, die besonders Danie zu schaffen machte: Mit Kopftuch und vollständig bedeckten Beinen und Armen schleppte sie sich durch die brütende Hitze Teherans. Der Außenpool im ersten Hotel war für Frauen natürlich verboten, verhüllt Joggen gehen undenkbar. Auf dem Weg durch die Stadt reflektierten wir unsere Lage. Wir hatten die Wahl: Wollten wir uns unserem ersten Eindruck hingeben und uns weiter unwohl fühlen? Oder sollten wir unsere Vorurteile und unsere Skepsis beiseiteschieben und uns und dem Iran eine zweite Chance geben? Wir fühlten uns an unsere Zeit in Johannesburg/Südafrika vor 6 Jahren erinnert. Damals stürzte sich bei unserer Ankunft eine Horde umsatzgetriebener Taxifahrer auf uns und trieb uns so schnell aus der gegenseitigen Sichtweite, dass wir nur mühevoll wieder zueinander fanden. Der Schreck saß tief und unser Vertrauen in die Landsleute war dahin. Keine 4 Wochen später, als wir unseren Rückflug am gleichen Flughafen antraten, war nichts von dieser anfänglichen Skepsis übrig. In der Zwischenzeit hatten wir gelernt, wie liebenswert und vertrauenswürdig die Landsleute waren und dass Taxifahrer keine Gefahrenquelle darstellten; vor allem aber, wie sehr unsere skeptische Grundeinstellung die eigene Wahrnehmung beeinflusst hat. So sehr wir auch versucht hatten, uns von Vorurteilen zu befreien, waren es genau diese, die uns das ungewohnte Taxifahrer-Verhalten als deutlich bedrohlicher wahrnahmen ließen, als es vermutlich war. Dank solcher Erfahrungen entschieden wir uns nun, 6 Jahre später in Teheran, das Unwohlsein sein zu lassen und unsere Reise in den Iran von vorn zu beginnen. Mit Erfolg!
Warum es sich lohnt, Länder zu bereisen, die andere meiden.
In den darauffolgenden 2 Wochen zwischen Teheran und Schiraz wurden wir für diese Entscheidung reichlich belohnt. Wie viele andere Touristen waren wir regelrecht sprachlos, wie offen, herzlich und ehrlich die Iraner sind. Die Gastfreundlichkeit der Einheimischen ist so außergewöhnlich, dass man seine eigene Kultur als misstrauisch, egoistisch und kalt wahrnimmt. Die Natur, das kulturelle Erbe und auch die Religiosität – all das konnten wir auf Fotos als Erinnerung festhalten. Die iranische Mentalität aber wird kein Foto beschreiben können, und sie wird trotzdem in unseren Köpfen ein zentraler Bestandteil unserer Zeit im Iran bleiben. Aber woran liegt es, dass die Länder, die als weniger besuchenswert gelten, oft die erstaunlichsten Reiseerfahrungen bringen (Kriegsgebiete natürlich ausgenommen)? Diese 5 Punkte haben für uns den größten Ausschlag gegeben:
- Wenig Touristen. Wo man sich in Europa oder Südostasien mit Tausenden um die schönsten Urlaubsspots prügeln darf, teilt man sich hier die Sehenswürdigkeiten hauptsächlich mit Locals. Keine Warteschlangen, faire Preise, mehr Raum zum Genießen.
- Gastfreundliche Einheimische. Während in Venedig die Einheimischen von der Unzahl an Touristen aus der Stadt gedrängt werden, holen sich die Iraner die Touristen in ihr Heim. Wo es noch wenige Touristen gibt, haben die Einheimische noch Neugier und Freude an fremden Besuchern. Man lud uns mehrmals nach nur wenigen Minuten Gespräch ein, bei der eigenen Familie zu übernachten. Während religiöser Feiertage wurde uns täglich kostenloses Essen aus den Moscheen heraus gereicht (dieses “Geschenk Gottes” abzulehnen, galt als äußerst unhöflich), und selbst der mit 80 Sachen denkbar knapp an uns vorbeirasende Taxifahrer lässt es sich nicht nehmen, uns noch ein „Willkommen im Iran“ zuzujubeln. Sicherlich spielt auch eine Rolle, dass Gastfreundlichkeit im Islam ein wichtiges Gebot ist.
- Sicheres Reisen. Es gibt nur eines, was äußerst gefährlich ist im Iran: Der Straßenverkehr. Wir dachten, Georgien sei nicht mehr zu toppen, aber im Iran verkommen selbst rote Ampeln zu reiner Dekoration. Ansonsten scheint den Iranern viel daran gelegen, dass wir Touristen uns so sicher wie möglich in ihrer Heimat fühlen. Mit nur dem geringsten Anzeichen eines Fragezeichens im Gesicht, darf man gewiss sein, bald Hilfe von Passanten angeboten zu bekommen. Hier ist es sogar üblich, dem Verkäufer die PIN-Nummer der eigenen Kreditkarte zu nennen; Sicherheitsbedenken hat hier deshalb niemand. Selbst die anfänglich gewöhnungsbedürftige Kleiderordnung erzeugt bei uns ein angenehmes Gefühl der Angepasstheit und des Respekts gegenüber der iranischen Kultur.
- Das gute Gefühl, wenn Vorurteile als solche entlarvt werden. Als wir mit einem Iraner über eine mögliche Wüstentour schrieben, bot er an, wir sollten erstmal bei ihm ankommen und dann würde er uns alle Touren erklären. Ha!, als reiseerprobte Mitteleuropäer wussten wir natürlich, dass wir nicht die Katze im Sack kaufen dürfen und eine verfrühten Zusage mit dem anschließenden Preishammer sanktioniert würde. Zu Yosuf reisten wir dann trotzdem – ohne Vorabsprache. In der Folge hatten wir nicht nur eine unvergessliche gemeinsame Tour in der Wüste, Yosuf überließ uns darüber hinaus für eine Nacht gratis seine Wohnung und nahm uns auch noch mit zu seiner Familie, wo seine Mutter wunderbar für uns kochte.
- Wer wenig erwartet, wird seltener enttäuscht. Vorurteile haben nicht nur Schlechtes. In Länder, die viele lieber meiden, reist man oft mit geringeren Erwartungen. Positive Ereignisse wirken dadurch natürlich deutlich stärker.
Ein Klassiker-Zitat in Motivationsseminaren besagt, dass man außerhalb seiner Komfortzone suchen muss, um Magie zu finden. Durch unsere Erfahrungen im Iran sind wir gewillter denn je, weiterhin in Länder zu reisen, die außerhalb nicht nur unserer Komfortzone liegen, und dort unsere unbewussten Vorurteile zu entlarven. Überrascht werden wir dabei vermutlich jedes Mal auf’s Neue. Und das ist gut so.
TIPPS:
- Bargeld und iranische Touristen-Kreditkarte. Der Iran ist nicht an das internationale Bezahlsystem angeschlossen, d.h. unsere Kreditkarten funktionieren hier nicht. Touristen sind gezwungen ihr Reisebudget bar ins Land mitzubringen. Wir nutzen zudem die MahCard – eine iranische Prepaid-Kreditkarte – für bargeldloses Bezahlen. Diese wird einem direkt ins Hotel gebracht, wo man auch den gewünschten Betrag mit Bargeld oder per PayPal (6% Gebühr!) aufladen kann. Was man nicht verbraucht hat, bekommt man am Ende der Reise ausgezahlt. Aufgrund der hohen Inflation akzeptieren viele Hotels nur noch Eurozahlungen, weshalb es sich lohnt, sowohl Rial als auch Euros bei sich zu tragen, um größere Verluste durch Wechselgebühren zu vermeiden. Außerdem war der Wertverfall des Rials während unseres Aufenthalts so drastisch, dass es sinnvoll war, jeden Tag zum aktuellen Kurs Geld zu tauschen.
- Unterkünfte telefonisch reservieren. Wenige Hotels lassen sich über das Internet buchen und wenn dann nur für ein Vielfaches des eigentlichen Preises. Uns wurde empfohlen, Unterkünfte telefonisch zu kontaktieren und Preise zu verhandeln.
- Vergleich des Wechselkurses. Der externe (XE Currency) und interne (bonbast.com) Wechselkurs unterschieden sich bei uns mindestens um das 3-Fache.
- Eine Reise im Frühling. Der Iran ist heiß und gegen Ende des Sommers ausgetrocknet. Im Frühjahr sind weite Teile des Landes herrlich grün und manche Seen noch nicht ausgetrocknet. Das vergrößert Wanderspaß.
- VPN-Tunnel. Viele Websites sind im Iran gesperrt, was man mit einer VPN-App umgehen kann. Während der gregorianische Kalender das Jahr 2018 schreibt, befindet sich der Iran gemäß dem persischen Kalender im Jahr 1397 (nach Auswanderung des Propheten Mohammed von Mekka nach Medina). Surft man mit iranischer IP kann dies zu einiger Verwirrung führen (v.a. bei Ticketbuchungen). Ein VPN-Klient sorgt auch hier für Abhilfe.
Weitere Iran-Tipps findet ihr auf unserem Iran-Blogpost.
- Getting a passport photo with Hijab in Armenia.
- At the bank in Yerevan: Collecting some fresh Euro notes. We didn't remember how large they are.
- Boarding to the flight to Iran - only with Hijab!
- Finally, our visa!
- Getting our Iranian credit card in the hotel lobby.
- Women having their own train compartments.
- Highest comfort in Iranian busses (and much safer than cars).
- Danie's two Iran-compliant outfits...
- ... that still had to be covered with a Chador in religious places.
- Touristic places for ourselves.
Christine
February 9, 2022 @ 4:59 am
Es ist ein wunderschönes Land
Christine
February 9, 2022 @ 4:58 am
Hallo ich bin Christine ich bin nun das3.mal im Land habe jedesmal das Problem mit den 00
Ja wo ich das erstmal gehen wollte sagten auch alle du bist verrückt als ich dann nach Hause fuhr wusste ich ,ich kehre zurück in das Land jetz habe ich natürlich viele Freunde hier und möchte immer den deutschen Winter entfliehen jetz bin ich auf wohnungssuche, ich bin schon älter und muss nicht mehr arbeiten LG Christine