(For English version see below)
Ein letztes Mal drehen sich Achim und Elke winkend zu uns um, bevor sie vom Trubel am Flughafen in Ho-Chi-Minh-Stadt verschluckt werden und den Flieger zurück nach Deutschland besteigen. Meine Eltern wirken erleichtert, bald wieder die heimische Bockwurst, akzeptable Mengen Filterkaffee, geordneten Straßenverkehr und ein sauberes Umfeld ihr Privileg nennen zu dürfen. Auch Ralf und ich freuen uns nach drei Wochen Vollzeit-Touri-Programm mal wieder Urlaub vom Urlaub machen zu können. Und trotzdem bleibt uns der Abschiedsschmerz nicht erspart. “Jetzt sind wir wieder allein”, sage ich und wische mir die Tränen aus dem Gesicht. “Es ist schon besonders, dass sich meine Eltern auf dieses Abenteuer wagten, nur um uns zu besuchen.”
Mit einem Superstar durch Angkor Wat
Drei Wochen zuvor hatten sie sich vertrauensvoll in Begleitung meines Bruders Marco in den Flieger nach Siem Reap, Kambodscha, gesetzt. Kaum ein Besucher Indochinas kommt an diesem Ort in direkter Nähe zu Angkor Wat vorbei. Die endlosen Tempelanlagen Angkors waren schlichtweg beeindruckend, und die Zeit dort durch unseren Tuk-Tuk-Fahrer “Superstar” zudem noch äußerst amüsant. Unermüdlich kümmerte er sich um das Wohlbefinden von “Mama” und “Papa”, reichte kühles Wasser und Feuchttücher und erinnerte die Kinder, also Marco, Ralf und mich, auf “Mama” und “Papa” bei dieser Hitze achtzugeben (bis heute erkundigt er sich regelmäßig über Facebook, ob wir uns auch daran halten). In Verschnaufpausen streichelte er “Papa” über den sorgfältig antrainierten Bierbauch – mit dem Kommentar: “looks healthy” (dt.: sieht gesund aus).
“Das gibt´s doch gar nicht” in Phnom Penh
Drei wildfremde Kambodschaner drängten sich aufgeregt um meinen Vater und fuchtelten mit Tigerbalsam und Verbandsmaterial an einer klaffenden Schnittwunde auf seinem Kopf herum. Wenige Momente zuvor hatte das Geräusch von zerschellendem Glas unseren Abendspaziergang durch “Fnom Feng” (wie meine Mutter die Hauptstadt Kambodschas liebevoll nannte) unterbrochen. Wie sich herausstellte, war mein Vater vom sonderbaren kambodschanischen Verkehr derart abgelenkt worden, dass er den sich uns in den Weg gestellten Rückspiegel eines parkenden Tuk-Tuks nicht bemerkte. Kaum war das Blut getrocknet und die Wunde provisorisch im Khmer-Stil versorgt, blieb bei Achim nur Bewunderung zurück: “Wie kann es sein, dass es bei diesem Verkehrschaos keinen einzigen Unfall gibt – außer den eines Fußgängers mit einem parkenden Tuk-Tuk?” Der Straßenverkehr in Kambodscha ist – wie in vielen anderen asiatischen Ländern – ein Phänomen. Abertausende Mopeds, Roller, Tuk-Tuks, Rikschas, Autos, Busse und Lkws schieben sich durch völlig überlastete Straßen und Gassen und ignorieren dabei jegliche Form ordnungsgebender Regeln: Ampeln, Straßenschilder, Fußgängerüberwege sind nur hübsches Beiwerk; vorgegebene Fahrtrichtungen bleiben reine Theorie. Alles was sich einem Khmer-Fahrer in den Weg stellt, wird freudig umfahren, selbst wenn dafür die Außenbestuhlung eines Restaurants durchquert werden muss. Auf “Westerner” wirkt das zuerst unkontrolliert und beängstigend, mit der Zeit aber beeindruckend mitunter gar harmonisch. Darüber hinaus hatte es Phnom Penh mit seinen weit verbreiteten Müllbergen, den teils schwarz-verfärbten und gasenden Flüsse und den stinkenden Seitenstraßen auch nach 3 Tagen schwer, unsere Begeisterung zu gewinnen. Irgendwie unterstützen all diese Eindrücke jedoch die erdrückende und fassungslose Grundstimmung, die zurückblieb, nachdem wir zwei der Tatorte des Völkermords durch die Roten Khmer am kambodschanischen Volk wieder verließen. Das Tuol-Sleng-Gefängnis und die berühmten Killing Fields waren schaurige Orte, die uns schamlos vor unsere feuchten Augen führten, zu was wir Menschen fähig sind.
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To our family. Impressions of a reunion in Cambodia & Vietnam.
Entschleunigt ins neue Jahr auf Koh Rong
Wo es eine Hölle gibt, kann der Himmel nicht weit sein. Ins Paradies sollten wir uns aber erst mit viel Geduld und Flexibilität durchschlagen: Da die Köchin des Hotels in Phnom Penh morgens zu spät kam und wir unser Frühstück in der Hotelküche selbst zubereiteten, bemerkten wir erst spät, dass man zudem vergaß, unser Taxi zur Busstation zu arrangieren. Unsere Erleichterung, diesen letztendlich doch noch erreicht zu haben, wäre fast ungetrübt geblieben, hätte uns der Busfahrer nicht den Touri-Abzockern am Stadtrand von Sihanoukville zum Fraß vorgeworfen (anstatt uns bis ins Zentrum zu fahren, wo unsere Fähre zur Insel ablegte). Aber gut, manchmal den 10-fachen Preis für einen unnötigen innerstädtischen Transfer hinzulegen, gehört in Asien einfach dazu. Vom Paradies trennten uns trotzdem noch weitere 45 Minuten mit Telefonaten und Verhandlungen für unser Recht auf die Insel. Die Reiseagentur aus Phnom Penh hatte uns zwar Fährtickets zum “Coconut Beach” auf Koh Rong verkauft, dann aber (unwissentlich) bei der falschen Fährgesellschaft reserviert (die diesen Inselteil gar nicht ansteuerte).
Natürlich wurde all die Ausdauer belohnt. Coconut Beach auf Koh Rong ist ein verkehrs- und smogfreies, müll- und touristenarmes Idyll mit viel Raum und Zeit fürs Schmökern, Planschen, morgendliche Strand-Yoga-Programm (klingt romantischer als es ist: dieser Sand überall!) und für Tagesausflüge, die uns meist nicht weiter als bis zum anderen Strandende brachten. Entschleunigter hätte das neue Jahr kaum starten können.
Doch wer nach Asien kommt, sucht das Abenteuer. Deshalb brachen wir nach 5 Tagen unsere Insel-Zelte ab, um nach einem Zwischenstopp an Kampots saftigen Pfefferplantagen (unvergesslich: frischer grüner Pfeffer mit Salz!) die Ostgrenze Kambodschas nach Vietnam zu überschreiten.
“Seid bereit! -immer bereit!” in Vietnam
Wenn morgens um 4 kommunistische Propagandatexte aus den an Bäumen montierten Lautsprechern die Nacht verkürzen, in öffentlichen Bussen ein strenges und respektiertes Sitzplatz(um)verteilungsregime herrscht und man zu fünft für umgerechnet 6 Euro ordentlich Abendessen kann, fühlt man sich als ehemaliger DDR-Bürger in Vietnam schnell an alte Zeiten erinnert.
Auch der Kontrast zu Kambodscha war erstaunlich offensichtlich: Weniger Müll, mehr “System”, begehbare Bürgersteige, aber auch weniger Lächeln und, zu unserem Bedauern, keine Tuk-Tuks. Was wir in Kambodscha unterhaltsam mit 1-2 Tuk-Tuks erledigen konnten, bedurfte in Vietnam eines Großraumtaxis, oder, wie bei unserer Ankunft geschehen, ganzer 5 Motorrad-Taxis. Meiner Familie blieb also selbst die asiatischste aller Asienerfahrungen nicht erspart. Unser Reisegepäck jeweils zwischen den Beinen des Motorradfahrers verstaut, jagten wir im aggressiven Stadtverkehr Can Thos vom Busbahnhof in Richtung Hotel, und verloren uns derart schnell aus den Augen, dass ein nahes Wiedersehen unwahrscheinlicher als ein 6er im Lotto schien (das Wunder wurde wahr: wir trafen alle irgendwann vor dem Hotel ein).
Das exotische Mekong-Delta bereisten wir daher freudig per Boot, über dessen Kante wir auch gleich unsere Obst- und Getränkeeinkäufe für den Tag verrichteten. Und die erschöpfenden Weiten von Ho-Chi-Minh-Stadt mit ihren vielseitigen Restaurants, asiatischen Märkten und äußerst westlichen Straßenzügen erkundeten wir bereitwillig zu Fuß.
Mindestens zwei Dinge hatten unsere Besuche in Kambodscha und Vietnam gemeinsam: (1) Unsere Aufklärung über eine grausame und erschreckend nahe Vergangenheit. Im Falle der Vietnamesen sind es über eine Millionen, die während des Vietnamkriegs ihr Leben ließen (wie uns bei den Besuchen des Kriegsopfermuseums und der Cu-Chi-Tunnel der Vietcongkämpfer schauerlich anschaulich vermittelt wurde). (2) Die Begeisterung für Achims Bauch. Auch in Vietnam, auf dem Weg zum Flughafen in Ho Chi Minh Stadt, würdigte der Taxifahrer schmunzelnd Achims Vorbau mit einem respektvollen Nicken und den Worten “nice Airbag”.
Fazit: 3 Wochen Individualreise als Familie durch Indochina waren spannend, herausfordernd und einzigartig zugleich (so lange waren die Böttgers noch nie gemeinsam im Urlaub). Wir sind dankbar, über den Mut und die Bereitschaft unserer Familie, uns ein Stück auf unserer Reise zu begleiten; und darüber hinaus über die Möglichkeit, die Einzigartigkeit Südostasiens durch ihre faszinierten Asien-Neulings-Augen (und Kameralinsen) auf ein Neues wiederentdecken zu können.
Nachtrag: Den eingangs erwähnten Urlaub vom Urlaub haben wir uns dann tatsächlich noch gegönnt: 7 köstliche und herrlich entspannte Tage im Vegetarier-Paradies Battambang. Die korrupten kambodschanischen Grenzbeamten (dieses Mal haben wir sogar 20% weniger für unser Visum bezahlt) und die teils verwirrende Bezahlung in zwei Währungen (US Dollar und Kambodschanische Riel) nahmen wir gern in Kauf. Im Gegenzug wurden wir erneut mit der entspannten Herzlichkeit der stets lächelnden und grüßenden Kambodschaner belohnt.
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Achim and Elke turn around and wave at us for a last time before they disappear in the crowd at the airport of Ho Chi Minh City and board their plane back to Germany. Surly, my parents feel relieved to soon get back their homey surrounding including German sausage, acceptable quantities of filtered coffee, a well organized traffic and a clean environment. Also Ralf and I look forward to have some holidays from holidays now, after the last three weeks of full-time touristic program. And yet, it is very hard to say goodbye. “Now we’re alone again”, I say, wiping some tears from my face. “It is exceptional that my parents made the effort to go on this trip simply to visit us.”
With a “Superstar” through Angkor Wat
Three weeks earlier, they had entered the plane to Southeast Asia, a complete unknown world, accompanied by my brother Marco. A day later, we met each other in Siem Reap, Cambodia. Hardly any visitor to Indochina skips this Angkor Wat tourist hub. The endless temples of Angkor were truly impressive, and our tuk-tuk driver “Superstar” made us even enjoy the time between the temple visits. He tirelessly took care of the well-being of “Mama” and “Papa”, handed out cool water and wet wipes and reminded us children, Marco, Ralf and myself, to keep taking care of “Mama” and “Papa” (until today we receive regular inquiries from him on Facebook, if we fulfil our duties). During our breaks, he patted “Papa” on the beer belly saying: “looks healthy”.
“Is that possible?” in Phnom Penh
Three alarmed Cambodians gathered around my father, treating a bleeding cut on his head with tiger balm and bandages. Seconds earlier, the sound of shattering glass pervaded the usual ambient sound of nightly Fnom Feng (as my mother tenderly called the capital of Cambodia). As it turned out, my father had been distracted (or better fascinated) by the chaotic Cambodian traffic and did not notice the rear-view mirror of a parked tuk-tuk that was in his way. Once first aid was delivered and the lesion patched up in Khmer style, Achim was left with pure admiration: “How is it possible that there has not yet been a single accident in this chaotic traffic – except for a pedestrian colliding with a parked tuk-tuk?” Road traffic in Cambodia is – similar to many other Asian countries – a phenomenon. Thousands of mopeds, scooters, tuk-tuks, rickshaws, cars, buses and trucks find their way through completely overcrowded streets and lanes, ignoring any effort for regulation. Traffic lights, street signs, or pedestrian crossings are just a nice accessory; given directions remain mere theory. Any obstacle will be elegantly bypassed by a Khmer driver, even if this necessitates driving through the outdoor seating of a restaurant. “Westerners” might find this uncontrolled and scary at first, but over time it appears rather impressive, sometimes even harmonious. After all, even three days in Phnom Penh were not enough to get used to its widespread garbage mountains, the partly black-colored and gassing rivers and the smelly side roads. However, these impressions somehow endorsed the stifling atmosphere in which we found ourselves after leaving two of the Khmer Rouge genocide sites. The Tuol Sleng Prison and the infamous Killing Fields were gruesome places that today ruthlessly visualize what we humans are capable of.
Decelerated into the new year on Koh Rong
Where there is a hell, the heaven can not be far. But it required some patience and flexibility to get there: In the morning, the hotel’s cook in Phnom Penh arrived late and we had to prepare our own breakfast in the hotel kitchen. Being busy with cooking, we noticed almost too late that the hotel also forgot to arrange our taxi to the bus station. Our relief of finally having reached the bus on time lasted till we reached Sihanoukville. Here, the bus driver threw us to the local taxi driver wolves on the outskirts of Sihanoukville (instead of driving us to the center where our ferry to the island departed). Well, paying sometimes 10 times as much as locals for an unnecessary inner-city transfer is part of the Asian experience. Still, it took another 45 minutes of telephone calls and negotiations for our right to be on the island, before we could head in the direction of paradise. The travel agency from Phnom Penh had indeed sold us ferry tickets to “Coconut Beach” on Koh Rong, but had booked (unknowingly) seats at the wrong ferry company (which was not going to Coconut Beach).
Of course, all the stamina was rewarded. Coconut Beach on Koh Rong is a traffic- and smog-free, sparsely populated and almost garbage-free idyll where we had plenty of room and time for browsing books, splashing, morning beach yoga (sounds more romantic than it was: sand everywhere!), and for day trips that mostly took us not further than to the other end of the beach. The new year could have hardly started more decelerated.
But who comes to Asia, seeks the adventure. Therefore after 5 days we tore down our island tents for a stopover at Kampot’s succulent pepper plantations (unforgettable: fresh green pepper with salt!) before we crossed the eastern border of Cambodia to Vietnam.
Be ready! – Always ready! in Vietnam
When communist propaganda texts from the tree-mounted speakers shorten the night at 4 a.m., a strict and respected seat assignment system is applied in public buses, and five people can properly enjoy dinner for the equivalent of 6 euros, former East German citizens may be quickly reminded of earlier times when in Vietnam.
Also the contrast to Cambodia was quite obvious: less garbage, more “regime”, walkable sidewalks, but also less smiling people and, to our regret, no tuk-tuks. What we could accomplish with 1-2 tuk-tuks in Cambodia, required a 7-seat taxi, or, as happened upon our arrival, a total of 5 motorcycle taxis in Vietnam. So my family even enjoyed the most Asian of all Asian experiences. Our baggage stowed away between the legs of the motorcyclist, we drove through the aggressive city traffic of Can Tho to get from the bus station to our hotel. Within seconds, we lost sight of each other and and quickly lost hope to meet again soon (by a miracle we all met in front of the hotel a few minutes later).
Thus, we traveled the exotic Mekong delta joyfully by boat, on the edge of which we also did our fruit and beverage shopping for the day. And we explored the exhausting expanses of Ho Chi Minh City with its eclectic restaurants, Asian markets and western-style streets by foot.
Our visits to Cambodia and Vietnam had at least two things in common: (1) Our education of their cruel and frighteningly close past. In the case of the Vietnamese, over one million lost their lives during the Vietnam War (as we learned during our visits of the War Remnants Museum and the Cu Chi Tunnels of the Viet Cong fighters). (2) The enthusiasm for my dad’s belly. Also in Vietnam, on the way to the airport of Ho Chi Minh City, the taxi driver honored his belly with a respectful nod and the words “nice airbag”.
Conclusion: 3 weeks individual travel as a family through Indochina were exciting, challenging and unique at the same time (the Böttgers have never traveled together for so long before). We are grateful for the courage and willingness of our family to join a short episode of our journey; and for the opportunity to rediscover the uniqueness of Southeast Asia through the eyes (and camera lenses) of intrigued Asia newbies.
Addendum: We actually made our holidays from holidays mentioned at the beginning: 7 delicious and wonderfully relaxing days in the vegetarian paradise of Battambang. For this, we willingly accepted the corrupt Cambodian border guards (this time we even paid 20% less for our visa) and the sometimes confusing payment in two currencies (US Dollar and Cambodian Riel). In return, we were again rewarded with the beautiful cordiality and pretty smiles of the Cambodians.